27. April 2022 I Lesezeit: 4 Minuten
Mergers und Acquisitions (M&A)
Manage growth: Internationale Akquisitionen und Versicherungsschutz
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von Christian Drave, LL.M.

Kolumne für Trust Risk Control.

Unsere Fachkolumne Toolbox behandelt versicherungsrechtlich relevante Themen der internationalen Industrieversicherung aus der anwaltlichen Praxis von NORDEN.

Akquisitionen im internationalen Kontext sind eine Herausforderung. Dies gilt auch mit Blick auf den Umgang mit Risiken und die Sicherstellung von adäquatem Versicherungsschutz.

Was ist vor, bei und nach einer Transaktion aus Sicht des Versicherungsschutzes zu beachten?

Aus unserer anwaltlichen Beratungspraxis greifen wir im Folgenden drei Aspekte auf:

- Die Versicherungs-Due Diligence vor der Transaktion

- Die Absicherung der Transaktion selbst

- Der Versicherungsschutz der neuen Gesellschaft nach der Transaktion

Dabei soll der Fokus dieses Beitrages auf dem dritten Aspekt liegen.

1. Tell me who you are – Versicherungs-Due Diligence

Welchen Versicherungsschutz unterhält das „Target“ überhaupt? Der Status Quo beim Versicherungsschutz wird im Rahmen einer Versicherungs-Due Diligence festgestellt. Geht es um grenzüberschreitende Transaktionen, sind naturgemäß unterschiedliche Märkte und Rechtsordnungen, Versicherungskonzepte und rechtliche Rahmenbedingungen betroffen. Die verlässliche Bewertung des Versicherungsschutzes erfordert eine profunde Kenntnis von internationalem Versicherungsrecht und -konzepten, z.B. die Abgrenzung von kontinentalem und anglo-amerikanischem Versicherungsrecht. Die Praxis zeigt, dass Käufer oder Verkäufer bei Transaktionen verschiedentlich geneigt sind, Dienstleistungen „aus einer Hand“ einzukaufen. Und so wird die Versicherungs-Due Diligence dann teilweise gleich von den M&A-Beratern – in der Regel Gesellschafts- und Steuerrechtlern – „mit gemacht“. Nicht immer sichert dies rechtliche Klarheit oder ist unbedingt effizient, zeigen Fälle, in denen es später hakt.

2. Safety first – Versicherungsschutz im Rahmen der Transaktion: W&I / M&A-Versicherungen

Jede Akquisition ist – für Käufer wie Verkäufer – mit Risiken und Kosten verbunden. Einige der Risiken, die mit dem Vorgang und den Folgen der Transaktion selbst verbunden sind, können die Beteiligten über spezielle Deckungen (teilweise) absichern. Warranty & Indemnity (W&I) bzw. M&A-Versicherungen ermöglichen beispielsweise die Absicherung von Garantien, Steuer- oder Haftungsrisiken. Der Käufer erhält Sicherheit, keine „black box“ zu erwerben. Der Verkäufer profitiert, da die abgesicherten Risiken den Kaufpreis nicht belasten. Eine nähere Betrachtung dieser speziellen Deckungsform würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen – wir werden uns mit ihr zu einem späteren Zeitpunkt beschäftigen.

3. Welcome on board – Versicherungsschutz für die neue Gesellschaft

Erwirbt der Käufer die Auslandsgesellschaft, besteht die Aufgabe, den Versicherungsschutz für die neue Gesellschaft und ihre Risiken sicherzustellen.

3.1 Integration in internationale Versicherungsprogramme und -verträge

Regelmäßig unterhält die Käufer-Gesellschaft (etwa die Konzern-Holding) ein internationales Versicherungsprogram (IVP) oder Einzelverträge, die internationalen Deckungsschutz bieten.

Wie kann die neue Gesellschaft in Sachen Versicherungsschutz mit „an Bord“ genommen werden?

Welche Unternehmen sind(mit)versichert? – Mitversicherungs- und Akquisitionsklauseln

Internationale Versicherungsprogramme (bzw. deren Masterpolicen) enthalten Klauseln zum Einschluss von neu erworbenen (oder gegründeten) Gesellschaften. Diese Mitversicherungs- bzw. Akquisitionsklauseln regeln, wann eine Gesellschaft überhaupt als „erworben“ gilt – und damit zu einer „Gesellschaft der“ Muttergesellschaft wird, so dass es in deren Interesse liegt, für den Versicherungsschutz zu sorgen. So muss die Muttergesellschaft beispielsweise die Mehrheit der Anteile übernehmen oder die neue Gesellschaft rechtlich beherrschen.

Doch auch wenn in diesem Sinn eine Übernahme der neuen Gesellschaft vorliegt, steht noch nicht ohne weiteres fest, dass die neue hinzukommende Gesellschaft auch wirklich unter den sachlichen Umfang Masterpolice fällt. Versicherer wollen und müssen ihrerseits auf ihre aufsichtsrechtliche Compliance achten. Sie bieten daher keinen Versicherungsschutz, wenn ihnen dies im jeweiligen Land verboten ist. Die Versicherungsverträge sehen daher Klauseln vor, die dies klarstellen.

Praxisbeispiel (Versicherungsverbot): Ein deutscher Handelskonzern unterhält ein in Deutschland geführtes internationales Haftpflicht-Versicherungsprogramm. Die Masterpolice bietet globalen Versicherungsschutz. Der auf Expansionskurs befindliche Konzern erwirbt eine Gesellschaft in Myanmar. Das dortige Aufsichtsrecht verbietet Versicherern, die keine Niederlassung in Myanmar unterhalten, im Land belegene Risiken aus dem Ausland – hier aus Deutschland – heraus zu versichern (sog. non-admitted-Problematik). Obgleich die deutsche Konzernmutter die neue Gesellschaft rechtlich und im Sinn der Masterpolice erwirbt, gelangt die neue Gesellschaft nicht in den Kreis der (mit)versicherten Gesellschaften. Sie erhält keinen Versicherungsschutz unter der Masterpolice.

Versicherungsschutz können in diesen Fällen Lokalpolicen bieten – die aber gesondert eingerichtet werden müssen. Eventuell greift bei vorgenanntem Beispiel als „Auffangmodell“ eine Versicherung des Finanzinteresses (Financial Interest Cover, FinC) – wenn die Masterpolice dies vorsieht.

Abwandlung (FinC): Die Masterpolice des Versicherungsprogramms enthält eine FinC-Klausel. Diese regelt eine spezielle Deckungserweiterung gerade für den Fall, dass das ausländische Recht die Versicherung der Auslandsgesellschaft aus Deutschland heraus nicht erlaubt. Dann bleibt es dabei: Die Auslandsgesellschaft bleibt unversichert. Doch die Masterpolice behilft sich eines methodischen Griffes: Sie versichert nicht die Lokalgesellschaft und deren Interesse, sondern die Konzernmutter und deren Interesse. Und dieses Interesse liegt darin, dass – so regeln es die Klauseln – der Wert der Tochtergesellschaft sinkt, wenn die Tochtergesellschaft einen Schaden erleidet. Damit sinkt auch der Wert der Beteiligung, die die Konzernmutter an der Tochter hält. Diesen Schaden der Mutter deckt die Versicherung.

In der Praxis sind FinC-Klauseln verbreitet. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Behörden im Ausland im Einzelfall eine solche Deckung als Umgehung ihres Versicherungsverbotes werten und sanktionieren. Eine Herausforderung besteht in der Praxis zudem teilweise darin, die Zahlung des Versicherers, die die Konzernmutter erhält, im Konzern richtig abzuwickeln.

Wann beginnt der Versicherungsschutz? – Automatik vs. Anzeige und Einbeziehungsvereinbarung

Fallen neu erworbene Gesellschaften unter den sachlichen Umfang des Versicherungsschutzes, ist die nächste Frage: Wann (zeitlich) und wie (methodisch) genau beginnt der Versicherungsschutz?

Die Policen nutzen unterschiedliche Mechanismen: einige Konzepte bieten einen automatischen Einschluss der neuen Gesellschaft. Erfüllt die Gesellschaft die soeben geschilderten Voraussetzungen der Versicherbarkeit, wird die Gesellschaft in dem Zeitpunkt eingeschlossen, in dem ihr Erwerb – also die Transaktion – nach dem anwendbaren Recht Dritten gegenüber wirksam ist. Weitere Schritte sind nicht notwendig. Dagegen sehen viele Policen vor, dass neue Gesellschaften nicht ohne weiteres in den Versicherungsschutz einbezogen werden. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer (die Holding/Muttergesellschaft) den Erwerb der Auslandstochter dem Versicherer anzeigen. Die Anzeige liegt auf der Hand: Der Versicherer will und muss wissen, wo er wem Deckung bietet. Er muss Risiken kalkulieren und Prämienanteile allokieren (aufsichtsrechtliche und versicherungssteuerliche Compliance). Besonderes Augenmerk verdienen nach unserer Erfahrung aber die Anzeige, dafür maßgebliche Fristen und die Rechtsfolgen.

Praxisbeispiel: Eine Masterpolice sieht – soweit rechtlich zulässig – die Mitversicherung neu hinzukommender Gesellschaften vor. Der Einschluss in den Versicherungsschutz erfolgt im Zeitpunkt des Erwerbs. Allerdings regelt die Police weiter, dass (1) der Versicherungsnehmer den Erwerb binnen zwei Monaten anzuzeigen hat, (2) sich Versicherungsnehmer und Versicherer auf eine Prämie einigen müssen und (3) für den Fall, das (1) oder (2) ausbleiben, der Versicherungsschutz rückwirkend entfällt (auflösende Bedingung für den Versicherungsschutz). Dass dieses Konzept gewisse Risiken für Konzernmutter und Tochtergesellschaft birgt, liegt auf der Hand.

Welche Personen sind mitversichert? – Beispiel D&O

Versicherungsverträge sind – mehr oder weniger gut – auf den Markt und vor allem die Rechtsordnung ausgerichtet, der sie entstammen. Erwirbt beispielsweise eine deutsche Holding eine Gesellschaft in den USA, treffen zwei sehr unterschiedliche Rechtsordnungen aufeinander (dazu noch näher unter 3.3). Ein marktübliches, deutsches D&O-Wording wird neben der C-level-Ebene auch Deckung für „leitende Angestellte“ bieten. Schon im deutschen Recht ist jedoch nicht abschließend geklärt, welche Personen dieser Begriff im Kontext des Versicherungsschutzes umfasst (die wohl überwiegende Meinung versteht den Begriff im Sinn des Betriebsverfassungsrechts). Wie sieht es aber aus mit Angestellten in der neuen US-Tochter, die eine ganz andere Struktur aufweist – und wo für die Angestellten andere Haftungsrisiken bestehen als hierzulande? Die Versicherungsverträge versuchen teilweise über Entsprechungsklauseln sicherzustellen, dass im Ausland derselbe Deckungsstandard besteht wie im Inland. Außerdem sorgen die Policen teilweise für eine Besserstellung der Auslandsgesellschaft über Good local Standard-Klauseln. Bietet der Versicherer vor Ort üblicherweise lokalen Versicherungsschutz, der weiter geht als der Deckungsumfang der deutschen Police, wird der Versicherungsnehmer so gestellt, als unterhielte er solchen lokalen Versicherungsschutz.

3.2 Stand-alone Deckungen und Pflichtversicherungen

Unabhängig von der Integration in ein Versicherungsprogramm sind Einzelpolicen des Auslandsunternehmens zu prüfen. Müssen in der jeweiligen Jurisdiktion Pflichtversicherungen eingedeckt bzw. unterhalten werden? Pflichtversicherungen spielen eine entscheidende Rolle. Nicht immer ist der Erwerber mit den rechtlichen Rahmenbedingungen im Sitzland der Tochtergesellschaft vertraut. Gewiss existieren für bestimmte unternehmerische Tätigkeiten oder in bestimmten Branchen international nahezu einheitlich Pflichtversicherungen (z.B. im Bereich von Umwelt- oder Produkthaftung, Arzneimittelhaftung bzw. Pharma). Doch natürlich bestehen auch nationale oder lokale Besonderheiten, die zu beachten sind. Anknüpfungspunkt ist die Versicherungs-Due Diligence: Welche Versicherungen hat die Zielgesellschaft? Welches Schicksal sollen die Versicherungsverträge haben? Gehen z.B. Policen von Gesetzes wegen auf einen Erwerber über? Verlängern sich Verträge automatisch, sind sie zu kündigen? Welche Policen sind neu einzurichten? Maßgeblich ist immer der Blick auf die lokalen Risiken. Das führt zu dem folgenden Gesichtspunkt.

3.3 Risiken und Deckung am Beispiel USA – Deutschland

Es mag eigentlich auf der Hand liegen, doch verdient folgender Aspekt aus unserer anwaltlichen Sicht heraus einen Hinweis:

Versicherung dient bekanntlich der Absicherung von Risiken. Nun sind aber die Risiken im Sitzland der Auslandstochter nicht dieselben wie diejenigen, die der Konzernmutter im eigene Sitzland bewusst sind – nach Art, Ausmaß und rechtlichem Charakter. Das wird nicht immer ausreichend beachtet beim Vorgehen und der Konzeption des Versicherungsschutzes. Insbesondere Haftpflichtrisiken verdeutlichen dies: Das Haftpflichtrisiko wird bestimmt durch das Haftungsrecht der jeweiligen Jurisdiktion. Interessant ist hier immer wieder ein Vergleich der hiesigen, deutschen Haftungssystems mit dem US-amerikanischem.

In den USA sehen Unternehmen sich beispielsweise immer wieder massiven Schadenersatzansprüchen wegen Antidiskriminierung von Arbeitnehmern ausgesetzt. Dort besteht daher das Produkt der Employment Practices Liability Insurance (EPLI). Hierzulande spielt diese Versicherung keine derartige Rolle, da die Haftungsrisiken für Arbeitgeber nicht in gleicher Weise bestehen.

Während in den USA in der D&O-Versicherung die meisten Inanspruchnahmen versicherter Personen durch Dritte erfolgen (Außenhaftung), sind es hierzulande Innenhaftungsfälle, also Inanspruchnahmen der Organmitglieder durch versicherte Gesellschaft (Versicherungsnehmerin) selbst.

Die Versicherungskonzepte weisen häufig erhebliche rechtliche Unterschiede zueinander auf, beginnend etwa beim Versicherungsfall in der Haftpflichtversicherung: Bereits innerhalb der Produktlandschaft im deutschen Markt bestimmen diverse unterschiedliche Versicherungsfalldefinitionen über den Versicherungsschutz (vom Schadenereignisprinzip in der allgemeinen Haftpflichtversicherung bis zum Manifestationsprinzip in der Umwelthaftpflichtversicherung oder dem Anspruchserhebungsprinzip in der D&O-Versicherung). Wer beispielsweise aus US-amerikanischer Sicht eher durchweg bei Haftpflicht grundsätzlich an claims made als „trigger“ denkt, steht in der Praxis doch schnell vor Herausforderungen, z.B. wenn ein US-Unternehmen in Deutschland eine Gesellschaft „zukauft“ und adäquater Versicherungsschutz sichergestellt werden soll.

Andersherum geblickt: Allgemein bekannt und gefürchtet sind „US-Haftungsrisiken“ durch die rechtliche Konzeption des Strafschadenersatzes. Ein auf Schadenersatz in Anspruch genommenes Unternehmen ist danach nicht nur der Forderung auf Ausgleich eines wirtschaftlichen Schadens ausgesetzt. Vielmehr können poenale Aspekte zu Verurteilungen führen, die den „eigentlichen“ Schaden um ein Vielfaches übersteigen. Ein Konzept, dass die deutsche Rechtsordnung in dieser Form bekanntlich nicht kennt.

Immer wieder ist festzustellen, dass im deutschen Markt bekannte und etablierte Versicherungen in anderen Märkten gar nicht richtig bekannt sind. Das mag etwa für die Vertrauensschadenversicherung gelten, die für viele deutsche Versicherungsnehmer einen sinnvollen Teil ihrer Absicherung ausmacht – aber anderenorts erst teilweise als „Crime“ oder „Financial Fidelity“ Versicherung etabliert ist. Ein im Ausland ansässiger Käufer, der seinen „Heimatmarkt“ kennt, nicht aber den der neuen Gesellschaft, hat somit einerseits möglicherweise keine ausreichende Kenntnis der Haftungsrisiken. Andererseits kennt er eventuell auch gar nicht die Versicherungskonzepte, die im Zielland bestehen und der Absicherung der Risiken dienen können.

4. Fazit

Transaktionen haben eine große Bedeutung für Unternehmen und ihre strategischen Entwicklungen, national wie international. Geht es um den Versicherungsschutz im Zusammenhang mit internationalen Transaktionen, sind immer unterschiedliche Rechtsordnungen und Märkte betroffen. Adäquater Versicherungsschutz bei internationalen Transaktionen bedeutet aus Sicht der Unternehmen sicher manche Schwierigkeiten – aber auch Möglichkeiten durch eine kluge rechtliche Gestaltung.

Ihr Ansprechpartner:

Christian Drave, LL.M.

Rechtsanwalt I Partner
Master of Insurance Law

 

T + 49 211 822 68 09-2
E christian.drave@norden-legal.de

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