12. November 2021 I Lesezeit: 8 Minuten
Elementarschadenversicherung
Starkregen, Hochwasser und Co: Pflichtversicherung für Elementarschäden auf dem Prüfstand - Was sind Herausforderungen für gewerbliche und industrielle Versicherungsnehmer?
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von Cäsar Czeremuga, LL.M.

1. Diskussion über Einführung einer Pflichtversicherung im Eindruck der Flutkatastrophe

Angesichts der verheerenden Folgen der Flutkatastrophe im Juni und Juli dieses Jahres und der eher geringen Verbreitung von privaten Deckungen gegen Elementarschäden, wird erneut die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden diskutiert.

Was entscheiden die Justizminister der Länder?

Die Justizminister der Länder prüfen gegenwärtig, mit welchen rechtlichen Maßnahmen die Regulierung von Schäden an privaten Wohngebäuden im Falle von Naturkatastrophen verbessert werden kann.

Auf ihrer Herbstkonferenz am 11. und 12. November 2021 beschlossen die Justizminister in einer Arbeitsgruppe „ergebnisoffen“ zu prüfen, ob der Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden „weiterhin durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen oder zwischenzeitlich aufgrund der aktuellen Datenlage zu den klimatischen Veränderungen sowie zu dem Versicherungsmarkt eine andere Bewertung gerechtfertigt ist“.

Die Arbeitsgruppe soll auch prüfen, welche alternativen rechtlichen Möglichkeiten bestehen, eine Erhöhung der Versicherungsdichte beim Elementarschadenschutz zu erreichen und inwieweit die Möglichkeit präventiver Maßnahmen gegenüber einer Pflichtversicherung aus verfassungsrechtlichen Gründen vorrangig auszuschöpfen wäre.

Ergebnisse soll die Arbeitsgruppe bis zum Frühjahr vorlegen. Den Beschluss der Justizminister können Sie hier nachlesen.

Versicherer sind gegen Versicherungspflicht

Die Versicherer wollen keine Pflichtversicherung. Sie schlagen einen anderen Weg vor. Sie möchten, wenn der Gesetzgeber dies ermöglicht, alle bestehenden Privatkunden-Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag umstellen, damit auch Elementargefahren versichert sind – außer der Versicherungsnehmer widerspricht.  Bei Neuabschlüssen sollen Wohngebäudeversicherungen stets mit Elementardeckung angeboten werden. Der Unterschied zu Modellen einer Pflichtversicherung ist, dass der Verbraucher die Elementarschadendeckung ablehnen kann - dann auf eigenes Risiko, d.h. im Schadenfall ohne Versicherungsschutz, aber auch ohne staatliche Hilfen dazustehen. Dieses Modell belässt Versicherern Gestaltungsfreiheit – hinsichtlich Prämien, Deckungssummen und der Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen – die sie im Rahmen einer Pflichtversicherung sehr wahrscheinlich nicht haben würden.

Pflichtversicherung mit dem Grundgesetz vereinbar

Die Einführung einer bundesweiten Pflichtversicherung wird seit Jahren (immer wieder) diskutieren. Ihre Einführung scheiterte in der Vergangenheit an verfassungsrechtlichen Bedenken. Es kommt auf ihre konkrete Ausgestaltung an. Grundsätzlich dürfte die Einführung einer Pflichtversicherung aber mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Pflichtversicherungen sind Ausnahmen – und sollten Ausnahmen bleiben. Sie sind aber keinesfalls ungewöhnlich, wie ein Blick auf die Sozialversicherung, Berufshaftpflichtversicherung und Kfz-Haftpflichtversicherung zeigt. Auch die Feuerversicherung war lange eine Pflichtversicherung. Zwischen 1960 bis 1994 bestand in Baden-Württemberg bereits eine Versicherungspflicht gegen Elementargefahren. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts billigte das Bundesverfassungsgericht die verpflichtende Elementarschadenversicherung im Zusammenhang mit dem badischen Gebäudeversicherungsgesetz (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1976, Az.: 1 BvL 4 u. 5 /72). Das Bundesverfassungsgericht bestätigte auch die Verfassungsmäßigkeit privater Pflege-Pflichtversicherung (BVerfG, Urteil vom 3. April 2001, Az.: 1 BvR 2014/95).

2. Herausforderungen für gewerbliche und industrielle Versicherungsnehmer

Die aktuelle Debatte über die Einführung einer Pflichtversicherung beschränkt sich auf private Wohngebäudeversicherungen. Gewerbliche und industrielle Versicherungen betrifft sie nicht. Hier ist die Verbreitung von Elementarschadendeckungen signifikant höher – wenn auch die Prämien tendenziell hoch- und die Kapazitäten runtergehen. Die Herausforderungen für Gewerbe- und Industriekunden sind andere als im Bereich der Wohngebäudeversicherung.

Kontinuierliche Überprüfung und Anpassung des Versicherungsschutzes

Wichtig ist die kontinuierliche Überprüfung und ggf. Anpassung des Versicherungsschutzes gegen Elementarschäden. Wächst das Unternehmen, wächst der Versicherungsschutz häufig nicht mit. Ein Fehler, der dazu führt, dass Deckungslücken entstehen und etwa neue Betriebsteile, Umbauten oder Neuanschaffungen nicht oder nicht adäquat versichert sind. Die Praxis zeigt, dass häufig zu geringe Versicherungssummen oder Entschädigungsgrenzen vereinbart werden, die nicht zu der Risikotragfähigkeit von Unternehmen passen. Obwohl Versicherungsschutz besteht, geraten Unternehmen schnell in existenzbedrohende Situationen.

Infrastrukturschäden verzögern Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes

Doch es sind nicht allein Beeinträchtigungen durch eigene Sachschäden, die Unternehmen zusetzen. Infrastrukturschäden stören eng verwobene Liefer- und Wertschöpfungsketten. Wenn Straßen, Brücken, Gleise, Strom, Gas, Wasser und Telekommunikation massiver Zerstörung ausgesetzt sind, lässt sich der Geschäftsbetrieb häufig nicht aufrechterhalten bzw. nicht zügig wiederherstellen. Ohne Telefonempfang und Internet kann ein Unternehmen heute nicht wirtschaften. Ohne Strom können Unternehmen Anlagen und Maschinen nicht testen und in Betrieb nehmen, Gebäude nicht reinigen und trocknen. Provisorische Lösungen helfen nur bedingt. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt: Die vollständige Wiederherstellung der öffentlichen Infrastruktur beansprucht Monate – und verzögert sich häufig aufgrund von zeitraubenden Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Wiederherstellung nicht, nicht gleichwertig oder nur verzögert möglich

Die rasche Wiederherstellung von beschädigten oder zerstörten Sachen liegt im wirtschaftlichen Interesse betroffener Unternehmen. Versicherte Unternehmen sind zudem versicherungsrechtlich zur Schadenminderung verpflichtet. Die Wiederherstellung gestaltet sich indes schwierig und langwierig. Lokale Handwerker und Lieferanten fallen regelmäßig aus, da sie selbst von Elementarschäden betroffen sind. Nach Naturkatastrophen übersteigt die Nachfrage, etwa nach Aufräum- und Entsorgungsleistungen, schnell das Marktangebot. Lieferengpässe verzögern den Wiederaufbau. Ansteigende Preise treiben die Wiederherstellungskosten in die Höhe. Das führt nicht selten zu Diskussionen mit dem Versicherer.

Präventive Maßnahmen

Unternehmen müssen durch organisatorische und bautechnische Maßnahmen gegen Elementarschäden vorsorgen - unabhängig vom Versicherungsschutz. Die Vorsorge beginnt mit einer sorgfältigen Gefährdungsanalyse, an der sich präventive Maßnahmen ausrichten. Eine Einschätzung durch einen Fachmann (z.B. ein spezialisiertes Ingenieursbüro) hilft, individuelle Risiken eines Unternehmens zu erkennen und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden zu verhüten. Hierzu gehört die Sicherung von besonders sensiblen und kostenintensiven Gegenständen und Betriebseinrichtungen (z.B. IT/EDV, Heizungstankanlagen etc.) bzw. die Verlagerung dieser Gegenstände und Betriebseinrichtungen in nicht oder weniger gefährdete Betriebsbereiche (z.B. erhöhte Positionierung von Maschinen). Hierzu gehören auch präventive bautechnische Maßnahmen, etwa für den Fall von Starkregen. Ein Praxisbeispiel: Industriehallen besitzen häufig Flachdächer, die eine Ansammlung von Regenwasser begünstigen. Umso wichtiger sind Notentwässerungssysteme mit freiem Abfluss auf das Grundstück, die für Entlastung sorgen. Durch regelmäßige Kontrolle muss sichergestellt werden, dass Abflüsse sauber und frei sind.

Business Continuity Management

Durch eine Steigerung ihrer Resilienz können Unternehmen finanzielle Verluste im Schadenfall abwenden. Entscheidend sind Betriebsfortführungspläne, die helfen, den Geschäftsbetrieb weiter aufrecht zu erhalten – etwa über alternative Produktionsmöglichkeiten. Sogenannte Business Continuity Pläne sind nichts für die Schublade. Sie müssen fortwährend überprüft, aktualisiert, Mitarbeitern vermittelt und praktisch geprobt werden.

Ihr Ansprechpartner:

Cäsar Czeremuga, LL.M.

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