5. November 2021 I Lesezeit: 4 Minuten
Transportversicherung I Lieferketten I Systemische Risiken
Die Überlastung globaler Lieferketten – betrachtet aus dem All und der Sicht der Transportversicherung
© enanuchit - stock-adobe.de
von Christian Drave, LL.M.

„Warum sich vor den Häfen Rekord-Staus bilden“: wiwo.de berichtet hier mit interessanten Satellitenbildern zur Überlastung globaler Lieferketten. 

Die Überlastung der Lieferketten bringt vielfältige Risiken für die Wirtschaft mit sich, hat aber auch Auswirkungen auf die Transportversicherung: „Haben Sie schon Weihnachtsgeschenke?“ - Mit dieser möglicherweise nicht ganz unwesentlichen Frage begannen wir einen Teil unserer Diskussion über die versicherungsrechtlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie mit Versicherungsrechts-Experten. Die Transportversicherung und der „Einschlag“ bei globalen Lieferketten war nur ein Teil der interessanten Veranstaltung „Covid-19-Pandemie - Aktuelle Probleme der Erst- und Rückversicherung“ der Forschungsstelle für Versicherungswesen der Universität Münster am 26. Oktober 2021.

Was ist der Hintergrund der Überlastung globaler Lieferketten?

Vor allem zwei kumulativ wirkende Effekte bedingten die gegenwärtige Situation. Infolge des pandemiebedingten „Runterfahrens“ der Wirtschaft und entsprechend reduzierter Unternehmensaktivitäten kam es zunächst zu reduzierter Transportnachfrage - und deshalb zu reduzierten Transport- und Logistikkapazitäten (Transport, Umschlag, Zollabfertigung etc.). Weniger Schiffsraum wurde in Dienst gestellt, Personal, etwa im Umschlag, reduziert. Darauf folgte ein starkes Anziehen der Wirtschaft, teilweise über Vorkrisenniveau - bei zurückbleibenden Transportkapazitäten. Die Folge: massive Störungen globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten, einerseits „Stau“ vor und in Häfen bzw. Hubs, andererseits fehlende Container, wo sie benötigt werden, gestiegene Frachtraten bzw. Transportkosten (die weltgrößte Reederei Maersk meldete soeben für das dritte Quartal 2021 einen Rekordgewinn).

Was folgt aus der Überlastung globaler Lieferketten für die Transportversicherung?

Leere Regale in der Vorweihnachtszeit - neben der Knappheit von Halbleitern und zukünftig wohl auch Magnesium und weiteren Rohstoffen sowie Energie nur ein weiterer Riss im eng geknüpften Netz der globalisierten Wirtschaft? Nicht nur. Vielmehr bestehen ganz konkrete Auswirkungen für versicherte Unternehmen und Transportversicherer.

Kumulrisiken

Container-Stapel in übervollen Häfen bedeuten aus Versicherungssicht ein Kumulrisiko, schaffen sie doch erhebliche Wertekonzentrationen. Dies gilt für für Feuerrisiken ebenso wie für Diebstahlsrisiken, vor allem mit Blick auf hochwertige Güter. Für versicherte Unternehmen kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Güterversicherung ist regelmäßig als laufende Versicherung genommen und deckt auch - bis zu einer vertraglich festgelegten Maximaldauer - transportbedingte Lagerungen. Kommt es aber zum „Stau“ von Waren, besteht das Risiko, dass das vereinbarte Policen-Maximum überschritten wird und der Versicherungsschutz in Gefahr gerät. Hier sollten Versicherungsnehmer sich rechtzeitig mit ihrem Transportversicherer abstimmen, um Deckungslücken zu vermeiden. 

Verzögerungsschäden

Besonders betroffen von den Überlastungen der Lieferketten sind verderbliche Waren: Hier geht es „an die Substanz“. Die Verzögerungen im Transport verursachen massive Schäden.  Die natürliche Beschaffenheit der Güter selbst begrenzt mögliche Lieferzeiten. Anders als bei anderen Gütern kann man bei Kühlgut die Transport- bzw. Lagerdauer nicht unbegrenzt ausdehnen. Außerdem sind temperaturgeführte Transporte gefährdet, weil Kühlcontainer Anschlüsse benötigen - während des Seetransportes ebenso wie an Land beim Umschlag. Sind die Slots belegt, kommt es zu einer Unterbrechung der Kühlkette. Die Praxis zeigt: Die Schäden insbesondere im Internationalen Fruchthandel sind enorm. Verlader prüfen alternative Routen und Modalitäten, Charterraten für Kühlschiffe steigen. 

Die Verzögerungsschäden treffen auch die Transportversicherer. Die Güterversicherung deckt in der Regel keine Schäden (d.h. Verluste oder Beschädigungen), die auf Verzögerungen des Transportes beruhen. Allerdings finden sich in bestehenden Versicherungsverträgen häufig Wiedereinschlüsse. Danach sind Verzögerungsschäden in einem bestimmten Rahmen gedeckt. Versicherer sehen sich einer Vielzahl von gemeldeten Schäden ausgesetzt.  

Die Versicherungswirtschaft reagierte auf pandemiebedingte Schäden mit Ausschlussklauseln für Covid-19 bzw. umfassenden allgemeinen Ausschlüssen von übertragbaren Krankheiten (vgl. GDV: Klausel für den Ausschluss von Schäden durch eine bedrohliche übertragbare Krankheit in der Transportversicherung („Pandemie-Ausschlussklausel“); Wiedereinschlussklausel „Bedrohliche übertragbare Krankheit in der Güterversicherung“, siehe hier) 

Unsichere Perspektive

Wie es für die Absicherung zukünftiger Transporte weitergehen soll, ist unklar. Eine Entlastung der Lieferketten, ein Abbau der Staus in den Häfen ist jedenfalls kurzfristig kaum zu erwarten.  

So bleibt - neben den wirklich drängenden Problemen - die einstweilen Frage: Haben Sie schon Weihnachtsgeschenke? 

Ihr Ansprechpartner:

Christian Drave, LL.M.

Rechtsanwalt I Partner
Master of Insurance Law
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

 

T + 49 211 822 68 09-2
E christian.drave@norden-legal.de

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