Deutscher Corporate Governance Kodex
Was sich eigentlich von selbst versteht, schreibt nun auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) in seiner Neufassung fest: Unternehmensleiter sind für die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens verantwortlich.
Unternehmen müssen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Sie müssen sich beim Wort nehmen und an ihrem Handeln oder Nicht-Handeln messen lassen. Es gibt keinen Raum für Passivität.
Der DGCK adressiert unmittelbar nur börsennotierte Unternehmen und Unternehmen mit Kapitalmarktzugang. Allerdings geben die Grundsätze des DGCK „wesentliche rechtliche Vorgaben verantwortungsvoller Unternehmensführung wieder“ – und beschreiben letztlich einen allgemeinen Sorgfaltsmaßstab der Unternehmensführung und -überwachung.
Sie nehmen Vorstände und Aufsichtsräte in die Pflicht.
1. Aspekte, die Vorstände betreffen
Nachhaltigkeit als notwendiger Teil der Unternehmensleitung
„Der Vorstand soll die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten. In der Unternehmensstrategie sollen neben den langfristigen wirtschaftlichen Zielen auch ökologische und soziale Ziele angemessen berücksichtigt werden. Die Unternehmensplanung soll entsprechende finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen.“ (Empfehlung A.1)
Nachhaltigkeit und Risikomanagement
Zur Vorstandsverantwortlichkeit gehören ein „angemessenes“ und „wirksames“ internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem (Grundsatz 4). Empfehlung A.3. bestimmt u.a.:
„Das interne Kontrollsystem und das Risikomanagementsystem sollen, soweit nicht bereits gesetzlich geboten, auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken. Dies soll die Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten mit einschließen.“
Nachhaltigkeit und Haftung
Eine wesentliche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit im Rahmen der Business Judgment Rule.
Die Business Judgment Rule verlangt von Unternehmensleitern, informierte Entscheidungen treffen. Zur Vermeidung persönlicher Haftung müssen sie notwendige Informationsgrundlage sicherstellen - auch zu Nachhaltigkeitsaspekten.
Auf unzureichender Informationsgrundlage getroffene Entscheidungen sind (Sorgfalts)pflichtwidrig.
Dieser Maßstab trifft übrigens nicht nur Unternehmensleiter: In einer historischen Entscheidung urteilte der High Court am 18. Juli 2022, dass die Klimastrategie der britischen Regierung rechtswidrig ist.
Eine tragende Wertung des Gerichts: Der für die „Net Zero“-Strategie verantwortliche Minister habe nicht über die notwendigen Informationen verfügt, wie die verbindlichen CO2-Vorgaben tatsächlich eingehalten werden könnten, die Strategie aber dennoch genehmigt.
2. Aspekte, die Aufsichtsräte betreffen
Nachhaltigkeitsfragen als Teil der Überwachung und Beratung durch den Aufsichtsrat
„Sozial- und Umweltfaktoren beeinflussen den Unternehmenserfolg und die Tätigkeiten des Unternehmens haben Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Vorstand und Aufsichtsrat berücksichtigen dies bei der Führung und Überwachung im Rahmen des Unternehmensinteresses.“ (Präambel)
Zu den Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats hebt Grundsatz 6 hervor:
„… Überwachung und Beratung umfassen insbesondere auch Nachhaltigkeitsfragen“
Nachhaltigkeit als notwendige Kompetenz des Aufsichtsrats
„Das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats soll auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen.“ (Empfehlung C.1).
Bei der Bestimmung der „für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen“ dürfte der Einschätzungsspielraum angesichts der globalen Entwicklungen eng sein.
Was für ganze Märkte und Markordnungen bestimmend ist, muss auch von den einzelnen Teilnehmern als „bedeutsam“ behandelt werden. Nachhaltigkeitsfragen betreffen Absatzmärkte ebenso wie die Beschaffung und Produktion.
Bedeutsame Nachhaltigkeitsfragen stellen sich auch, wenn es um Reputationsrisiken und Wettbewerb geht: #Greenwashing-Vorwürfe bedeuten ein rasant zunehmendes Risiko für Unternehmen – und damit auch für Unternehmensleiter und Aufsichtsräte. Denn nicht nur von „der Gesellschaft“ oder „den Kunden“ werden Unternehmen beobachtet, sondern auch von ihren Wettbewerbern. So hat ein Gericht in Italien erstmals in einem „Greenwashing“-Verfahren zwischen zwei Unternehmen entschieden. Ein Unternehmen verlangte von einem Wettbewerber erfolgreich, es zu unterlassen, vage, unzutreffende oder nicht beweisbare Nachhaltigkeitsaussagen („green claims“) zu machen – und bekam im Wege einstweiligen Rechtsschutzes Recht. Das Gericht sah einen Verstoß gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RICHTLINIE 2005/29/EG). Weitere Hintergründe lesen Sie hier.
3. Neufassung DCGK
Die Neufassung des DCGK vom 28. April 2022 finden Sie hier (die markup-Version verdeutlicht die Änderungen).
Ihr Ansprechpartner:
Christian Drave, LL.M.
Rechtsanwalt I Partner
Master of Insurance Law
T + 49 211 822 68 09-2
E christian.drave@norden-legal.de