Exzedentenversicherungen
Die Rolle des Maklers in der Exzedentenversicherung: Status quo und Perspektiven
Die Exzedentenversicherung (auch: Versicherung in Layern) zeichnet sich durch eine besonders komplizierte Ausgangslage aus, bei der aus der Vielzahl der beteiligten Akteure eine ebenso große Vielzahl an Interessenskonflikten entstehen können. Diese Interessenpluralität fügt sich zu einem sensiblen Geflecht, in dem es umfangreicher Deckungen für möglicherweise existentielle Risiken der Industrieversicherung bedarf.
In der Praxis kommt dem Industriemakler aus Sicht des Versicherungsnehmers hierbei eine besondere Funktion zu: Er gewährt durch seinen spezifischen Sachverstand die notwendige Unterstützung bei Vertragsabschluss, -durchführung und im Schadensfall.
1. Zustandekommen der Exzedentendeckung: Die Rolle des Maklers
Die Rolle des Maklers gerade bei der Anbahnung des (Exzedenten-)Versicherungsvertrages soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Dabei wird es schließlich auf eine besondere Frage ankommen: Welche Möglichkeiten bestehen für den Makler, die widerstreitende Interessenlage im Exzedententurm durch gezielte Vereinbarungen gerecht und gewinnbringend aufzulösen?
Einfluss des Maklers auf die Entstehung der Layerversicherung
Der Makler ist zunächst gehalten, Informationen über das zu versichernde Risiko des Versicherungsnehmers einzuholen. Mit diesen muss er sodann an die (Exzedenten-)Versicherer herantreten. Er kontaktiert die Versicherer und stellt ihnen die nötigen Risikoinformationen zur Verfügung, diese geben anhand dessen ein Angebot ab. Hierin enthalten sind Informationen zur Bereitschaft zur Übernahme von Führungspositionen, Attachment-point und Following-form. Je nach angestrebter Gestaltungsform der Layerdeckung kann der Makler dazu angehalten sein, bereits die Grundbedingungen zur Verfügung zu stellen, sodass die Versicherer Aussagen über die Following-form Deckung treffen können. Im Gegensatz zur Mitversicherung muss der Versicherungsnehmer oder sein Makler aber das Verhandlungsergebnis, insbesondere hinsichtlich der Prämie, mit den anderen potenziellen Versicherern aber nicht offenlegen.
Üblich ist dabei der Turmbau ausgehend von der Grundversicherung, also „von unten nach oben“. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Layerung maßgeblich zur Erhöhung der Versicherungssumme eingesetzt werden soll und daher typischerweise Following-form gezeichnet ist.
Ebenso ist aber auch möglich, dass die Layer gleichzeitig entstehen. Dies kann gerade dann der Fall sein, wenn die beteiligten Versicherer - gerade bei großen Programmen üblich - in mehreren Layern auftauchen. Durch die Wiederholung der auftretenden Gesellschaften entsteht so eine Vereinheitlichung der versicherten Risiken in den Layern, die in anderen Fällen des gleichzeitigen Zustandekommens nur schwerlich realisierbar ist.
Umgang mit Maklerbedingungen
Die Beteiligung des Maklers bei der Vertragsverhandlung hat häufig auch Auswirkungen auf die vereinbarten Bedingungen. Zumeist folgt im Industrieversicherungsbereich auf die Ermittlung und Zusammenfassung des Risikos des Versicherungsnehmers auch die Ausarbeitung der Bedingungen durch den Makler. Makler-Wordings sind dabei, aufgrund der Stellung des Maklers, grundsätzlich der Sphäre des Versicherungsnehmers zuzurechnen (BGH, Beschl. v. 22.7.2009 – IV ZR 74/08, VersR 2009, 1477).
Hinsichtlich dieser vom Makler entworfenen oder in den Vertrag eingebrachten Bedingungen besteht Streit darüber, ob es sich um AVB i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt und wer – bejahendenfalls – ihr Verwender ist. Dies ist bedeutsam für die Frage, ob und zu wessen Lasten die AGB-Kontrolle i.S.d. §§ 305 ff. BGB erfolgt.
Richtigerweise hat hier eine Einzelfallentscheidung anhand der hergebrachten Grundsätze des AGB- und Versicherungsrechts zu erfolgen. Als grobe Leitlinie kann dabei Folgendes gelten:
Maklerbedingungen sind auch dann keine AGB, wenn sie vorformuliert sind. Denn der Versicherer hat grundsätzlich und je nach Marktlage eine reale Möglichkeit, auf ihren Inhalt Einfluss zu nehmen (Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, Einl. Rn. 26 m.w.N.). Dies macht wiederum aber auch den Versicherer nicht zum Verwender der Bedingungen. Etwas anderes gilt dann, wenn der Makler schon vorgreiflich die Bedingungen vorschlägt, die der Versicherer einzig akzeptieren wird („vorauseilender Gehorsam“). In diesen Fällen mag die Verwendereigenschaft des Versicherers naheliegen. Umgekehrt mag die Verwendereigenschaft des Versicherungsnehmers anzunehmen sein, wenn seine Marktposition im Einzelfall derart überwiegt, dass er dem Versicherer die Geltung der Maklerbedingungen abverlangen kann.
2. Beteiligung eines Versicherungsmaklers bei Ausfertigung der Police
Wie schon im Rahmen der Vertragsverhandlungen spielt der Industriemakler auch bei der Ausstellung der Versicherungspolice eine entscheidende Rolle. Wenngleich der Makler bildlich auf Seiten des Versicherungsnehmers steht, kann er auch für den Versicherer Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise die gem. § 3 Abs. 1 VVG dem Versicherer obliegende Pflicht, eine Police zu erstellen.
Dieses Vorgehen ist jedoch gerade in der Exzdentenversicherung fehleranfällig. In originär gelayerten Programmen finden die Vertragsverhandlungen mit verschiedenen Versicherern parallel statt. Zudem sind die Versicherungsbedingungen, und daher auch der Versicherungsschein, den nachfolgenden Versicherern zur Verfügung zu stellen, soweit die Versicherungen following-form vereinbart werden sollen. Betrachtet man sodann noch den internationalen Bezug größerer Layerprogramme (s. dazu unseren Blogeintrag „Die Renewals – alte und neue Hürden“), wird deutlich, dass der u.U. hohen Anzahl an Policen eine entsprechend große Bedeutung zukommt.
Der Makler muss gerade bei Ausfertigung der Police besonders Acht geben. Inwieweit sich seine Fehler sub specie § 5 VVG auf die Versicherungsbedingungen auswirken können, ist dabei gerade auch bei Industriemaklern besonders problematisch (näher Kosich, Die Exzedentenversicherung, S. 59 ff.).
3. Gestaltungsformen der Layerdeckung: Führungsklauseln wie in der Mitversicherung?
Damit ist die eigentliche Frage anzusprechen: Wie kann der Industriemakler das komplexe Interessengeflecht der Exzedentenversicherung auflösen?
Vereinbarung von Führungsklauseln wie in der Mitversicherung
Eine naheliegende Möglichkeit zeigt der Blick in die Mitversicherung. Diese weitere Form der Risikoteilung der Versicherer ist typenverwandt mit der Exzedentendeckung, da sie das Risiko horizontal und nicht, wie die Exzedentenversicherung, vertikal teilt. Dort existieren Führungsklauseln, die einem Versicherer – mit unterschiedlicher Reichweite je nach Formulierung – das Handeln für und gegen auch die anderen beteiligten Versicherer ermöglichen.
Dabei kann festgestellt werden: Die aus der Mitversicherung bekannten Führungsklauseln, insbesondere Anzeige- und Anschlussklauseln, können auch layerübergreifend dienlich sein. Hingegen bieten Prozessführungsklauseln keinen über die Koordination der auf einem Layer im Wege der Mitversicherung verbundenen Versicherer hinausgehenden Mehrwert für die Layerdeckung (Kosich, Die Exzedentenversicherung, S. 154 ff.).
Die Vereinbarung einer Anzeigeklausel löst das Problem des erhöhten Vertragsverwaltungsaufwands des Versicherungsnehmers bzw. seines Maklers. Sie bedeutet zudem eine Form der Wissensorganisation auf Seiten der Versicherer, sodass sich der Versicherungsnehmer darauf verlassen kann, dass die von ihm an den Führenden weitergeleiteten Tatsachen auch bei jedem Versicherer des Exzedententurms, jedenfalls im Wege der Wissensfiktion, vorhanden sind.
Auf der anderen Seite trägt sie der Abstraktion der Versicherungsverträge insoweit Rechnung, als dass dem führenden (Grund-)Versicherer keine aktive Vertretungsmacht eingeräumt wird. Seinem faktischen Führungsrecht wird daher keine unmittelbare Rechtsqualität beigegeben. Insbesondere verbleibt also die Entscheidung zum Umgang mit der eigenen Leistungspflicht jedem Versicherer erhalten.
In Erweiterung dessen verleihen Anschlussklauseln dem Führenden nicht nur die faktische Herrschaft über die Entscheidung zur Leistung der übrigen Versicherer, sondern geben dieser noch Rechtsqualität dahingehend, dass der Führende die Exzedenten wirksam nach außen hin verpflichten kann.
In der Exzedentendeckung wird hier vielfach von einer Auslegungsfolgepflicht gesprochen. Mit dieser unterwerfen sich die nachfolgenden Exzedenten der Auslegung der Versicherungsbedingungen, die im Wege der Following-form Vereinbarung auch in ihren Verträgen gelten. Dies soll vorrangig Entscheidungen hinsichtlich des der Beurteilung des Umfangs des Versicherungsschutzes betreffen (Schaloske, in: FS Fürstenwerth, 2020, S. 315, 322).
Dagegen haben Prozessführungsklauseln keinen Anwendungsbereich in der Exzedentendeckung. Denn die Leistungspflicht des Exzedenten entsteht erst dann, wenn der Grundversicherungsvertrag auch ausgeschöpft ist (Kosich, Die Exzedentenversicherung, S. 107 ff. m.w.N.). Nach anderer Ansicht ist die Leistung des Grundversicherers dann noch nicht fällig (Koch, VersR 2021, 879, 880 m.w.N.). Auch dann hat eine Klage gegen den Versicherer aber keinen Erfolg. Insofern liegen die tatsächlichen Voraussetzungen, die eine passive Prozessführungsklausel in der Mitversicherung notwendig erscheinen lassen, hier nicht vor. Auch gewährt die Vereinbarung einer aktiven Prozessführungsklausel zugunsten des layerübergreifend Führenden nur wenig Vereinfachung. Im Regelfall finden sich auf einem Layer bereits eine Vielzahl von Versicherern, die sich im Wege der Mitversicherung unter Beteiligung eines Führenden zusammengeschlossen haben. Dieser Führende hat sodann in der Regel bereits eine Prozessführungsklausel vereinbart, die es ihm erlaubt, für die anderen Mitversicherer auf dem Layer den Prozess zu führen. Die layerübergreifende Führungsklausel würde hier keine weitere Entlastung gewähren.
Genuin exzedentenrechtliche Führungsklauseln?
Ist insofern gezeigt, dass in gewissem Umfang auch die bekannten Führungsklauseln in der Layerdeckung einen Anwendungsbereich haben, stellt sich im Anschluss die Frage, inwiefern eigenständige Führungsregelungen für Exzedententürme vereinbart werden können.
Eine solche „Layerabrede“ sollte zunächst, um die aus der Führungsklausel in der Mitversicherung bekannte Diskussion über eine reflexhafte Wirkung für das Innenverhältnis zu vermeiden, unter Beteiligung des Versicherungsnehmers bzw. seines Maklers, des Grundversicherers sowie aller Versicherer auf den Layern oder den jeweils führenden Versicherern zustande kommen. Auch daher hat der Versicherungsnehmer ein Interesse daran, die genaue Ausgestaltung des Layerturms allen Versicherern zur Kenntnis zu bringen.
Eine andere Möglichkeit liegt darin, eine solche Klausel in den Grundversicherungsvertrag aufzunehmen und ihr im Wege der Following-form Vereinbarung so auch in den Layern zur Geltung zu verhelfen.
Neben einer Vielzahl möglicher Auskunfts-, Informations- und Mitwirkungsrechte (eingehend auf diese mit Klauselbeispielen Kosich, Die Exzedentenversicherung, S. 189 ff.) kommt insbesondere die Vereinbarung eines Einigungsverfahrens anzusprechen. Dies gilt nicht nur in der Situation einer gemeinsamen Regulierungsstrategie, sondern insbesondere auch in Fragen der Kostentragung und der Vergleichsfindung. Durch die Verwendung einer Mediations- und Schlichtungsvereinbarung können die Parteien sicherstellen, dass Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Exzedentenvertrag nicht unmittelbar in ein streitiges Verfahren vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht münden. In Betracht kommt hier der Rückgriff auf die Musterklauseln des DIS.
Über diese Regelung hinaus, können Schlichtungs- und Mediationsvereinbarungen weitere Vorgaben etwa zu Mitwirkungspflichten der Parteien, zur Auswahl des Mediators oder Schlichters und zur Gewährleistung der Vertraulichkeit enthalten. Gerade letztere ist für die von besonderer Verschwiegenheit geprägte Industrieversicherung bedeutsam.
4. Ergebnis und Ausblick
Der obige Beitrag hat gezeigt: Dem Makler kommt gerade bei der Exzedentenversicherung eine wichtige Rolle zu. Ein Exzedententurm birgt für den Versicherungsnehmer zwar viele Vorteile, gerade die mit ihm verbundene Vielpersonenkonstellation ist aber ein erhebliches praktisches Problem.
Dieses Problem kann durch Führungsklauseln angegangen werden. Dabei kann auf die bekannte Diskussion der Mitversicherung zurückgegriffen werden, es können aber auch ganz eigenständige Regelungen getroffen werden.
Ob und wie sich diese durchsetzen lassen, hängt auch immer von der Marktlage und der jeweiligen Verhandlungsposition ab. Eine eingehende Untersuchung zu typischerweise auftretenden Argumenten, Vor- und Nachteilen sowie weitere Klauselvorschläge habe ich jüngst veröffentlicht in „Die Exzedentenversicherung – Rechtsfragen gelayerter Versicherungen unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen der beteiligten Versicherer untereinander“, erschienen in der Berliner Reihe des Verlags Versicherungswirtschaft. Die Arbeit ist hier erhältlich.
Ihr Ansprechpartner:
Dr. Maximilian Kosich
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
T + 49 211 822 68 09-0
E maximilian.kosich@norden-legal.de